Das Online-Magazin „nordbayern“ berichtet am 3. Mai 2022 über das 30jährige Bestehen der Artothek Nürnberg …
„Art to take, ganz wörtlich: Die Artothek der Stadt Nürnberg feiert ihren 30. Geburtstag – mit einer kleinen Ausstellung und einem neuen Auftritt im Internet. Hier gibt es gute Kunst zum Leihen, und gar nicht teuer.
Das größte, das teuerste Werk lehnt gerade an der Wand und wartet auf seine Abholung. „Reserviert“ steht auf dem riesigen Acryl-Gemälde von Peter Angermann, der 1986 – gewohnt ironisch – einen kitschig bunten Regenbogen über die finstere Silhouette einer regionalen Landschaft gespannt hat. Irgendwann muss es ja wieder mal aufwärts gehen, oder?
Marktwert der Leinwand: über 20 000 Euro. Der Preis bei der Artothek: 12 Euro. Dafür kann man das gute Stück (105 x 150 cm) mit nach Hause nehmen und es sich, als gehöre es einem selbst, ein Vierteljahr ins Wohnzimmer hängen. Ein echter Angermann – Kompliment für den Geschmack, die Kenntnis in Sachen Kunst! Wer das nicht gerne hört, wenn Besuch kommt…
Und auch die Einrichtung, die das möglich macht, kann man eigentlich nicht genug loben, vor allem jetzt, zum runden Geburtstag. Sind es doch dreißig Jahre, die es die Artothek der Stadt Nürnberg nun schon als Angebot gibt – und in denen dieser Service, wie in einer richtigen Großstadt, für den kunstinteressierten Bürger kein bisschen gealtert ist.
Im Gegenteil: Wie die kleine Jubiläumsausstellung oben im modernen Teil des Künstlerhauses gerade zeigt, wird die Sammlung der Artothek ständig ergänzt und durch Neuankäufe an die Entwicklungen der Kunstszene angepasst.
Sogar der hippe kanadische Pop-Sänger Adam Green – ein Multitalent mit komischer Ader – ist mit zwei Bildchen vertreten, die vor kurzem erst in der Galerie Bernsteinzimmer zu sehen waren. Reizend, das farbige Gewimmel – und eben auch für junge Leute ein Hingucker.
Darauf legt Anette Stufler viel Wert: Dass für jeden etwas dabei ist im Katalog, der mittlerweile rund 1200 Kunstwerke fasst. Ein Bestand wie für ein richtiges Museum also, zumindest theoretisch – man sieht ja stets nur einen Teil. „80 Prozent sind unterwegs“, sagt Stufler, „wo auch immer.“ Denn neben den Werken, die gerade ausgeliehen sind, gibt es ja auch Bilder, die neu gerahmt, repariert oder gar restauriert werden müssen.
Fehlt in Reiner Bergmanns amerikanischer Flaggenparodie aus AltHolz nicht ein Sternen-Nagel? „Ja, das muss auch wieder gerichtet werden“, seufzt die Chefin, die zugleich Mädchen für alles ist, und Macherin durch und durch. Und seit drei Jahrzehnten ungebremst in ihrer Begeisterung für Kunst und Künstler. Auch wenn Anette Stuflers Reich im Keller liegt – hier wird von weiten Horizonten geträumt, sind die Perspektiven himmelhoch. Auch wenn das Budget schmal bemessen ist, ein bissel was geht immer – notfalls greift Stufler, gebürtige Ingolstädterin, auch mal in die eigene Börse. Nicht nur der Kunde soll ja profitieren, sondern vor allem die Künstler.
Schon vor der Eröffnung Ende 1991 – im Pilatushaus unterhalb der Burg – gab es die Artothek ein paar Jahre als Verein, der auch die Förderung der regionalen Szene im Blick hatte. Das Motto, damals wie heute: „Wir erwerben“ – damit Geld fließt und die Maler, Bildhauer, Fotografen vor Ort besser leben können.
Begonnen hat alles mit 120 Werken, mit Kunstgesprächen, Ausstellungen, Ateliers. „Es ging schon turbulent zu“, deutet Stufler an, wenn sie von den Anfängen der Artothek erzählt. „Als Erstes musste ich den alten braunen Teppich einschäumen!“ Nach Stationen im Altstadthof (ebenso steil) und im Kunsthaus (3. Stock ohne Aufzug) landete der Verleih dann 2002 im offen gestalteten Neubau des Künstlerhauses.
Links das Magazin mit den Drahtwänden zum Herausziehen, rechts ein Kasten als Büro, mittendrin die rührige Herrin der Bilder, die auch bei nur halber Stelle stets ganzheitlich berät. Zum Jubiläum hat sie den Online-Auftritt neu gestaltet, mit einer Studentin alle Bilder fotografiert, sich von der befreundeten Agentur Gillitzer ein frisches Design in Rosa und Weiß geben lassen. Aus Artothek wird: Art to take.
Noch bis zur Blauen Nacht am 7. Mai läuft die Präsentation der zuletzt erworbenen Bilder, darunter ein luftiges Pilz-Werk von Pop-Artist Jim Avignon aus Berlin, der dann auch live malen und als DJ musizieren wird. Von Angermanns Regenbogen zum Foto des schwulen „Regenbogenpräludiums“ an der Zeppelintribüne ist es da nicht weit: ein konsequenter, kurzweiliger, kunstvoller Weg.“