Der Bayrische Rundfunk berichtet am 02. März 2024 über die Kulturszene Wertingen und der Rolle ihrer Artothek dabei …
Wertingen: Kleinstadt in der Kultur ganz groß
„Regelmäßige Kunstausstellungen, Kunstpreise, Künstlerstipendien, eine Artothek, ein Gitarrenfestival: In Sachen Kultur hat sich Wertingen einen Namen weit über die Region hinaus gemacht. Die Kunst gelangt sogar bis in die Wohnzimmer der Bürger.
Von Judith Zacher
Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am 01.03.2024 um 12:00 Uhr.
Alexandra Fiebig ist Kunstliebhaberin. Ihre ganze Wohnung mit Originalkunstwerken auszustatten, könnte sie sich allerdings nicht leisten, sagt sie. Deshalb geht sie regelmäßig in die Wertinger Artothek: Eine Kunstsammlung mit Werken, die die Stadt angekauft hat. Die Bürger können hier für fünf bis acht Euro für insgesamt drei Monate Bilder, Zeichnungen und Skulpturen ausleihen.
Bei Fiebig hängen Bilder im Gang, im Wohnzimmer hat sie eine ganze Kunstecke. Zurzeit allerdings sind die Wände leer: Es gab einen Ausleihstopp. Der Grund: Ein Teil der angekauften Werke wird ausgestellt. „Ein großes Wiedersehen“lautet der Titel der Ausstellung, die am Sonntag eröffnet wird und bis zum 14. April dauert.
Artothek: So kommt die Kunst ins Wohnzimmer
Schon Mitte der 80er Jahre hatte der inzwischen verstorbene Wertinger Künstler Kuno Knapp die Idee mit der Artothek. Bis heute wurden rund 350 Kunstwerke angekauft. Die meisten waren zuvor in Ausstellungen in Wertingen zu sehen.
Das sei gut investiertes Geld, meint Wertingens Bürgermeister Willy Lehmeier (FW), so könne man die Kunst in die Wohnzimmer der Menschen bringen: „Und da entwickelt sich dann natürlich ein großer Fan-Bereich, der das wertschätzt.“
In Wertingen findet zudem alle zwei Jahre die Ausstellung „Kunst im Schloss“ statt. Aus ganz Bayern reichen Künstler ihre Werke für die Ausstellung ein, bei der auch Kunstpreise verliehen werden.
Wertingen vergibt Arbeitsstipendien an Künstler
Außerdem vergibt die Stadt jährlich zwei vierwöchige Stipendien: Über hundert Bewerber habe es bei der letzten Ausschreibung gegeben, sagt Organisator Oskar Dietrich vom Wertinger Kunstkreis. Künstler aus ganz Deutschland seien schon hier gewesen, auch aus vielen Großstädten wie Berlin, Köln, Hannover oder Leipzig. Sie bekommen eine Wohnung mit einem kleinen Atelier sowie eine kleine finanzielle Zuwendung, um vier Wochen in der Stadt zu leben und zu arbeiten. Dietrich glaubt, die Künstler würden die Ruhe in der Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern genießen, wo man sich ganz auf die Arbeit konzentrieren könne.
Der erste Stipendiat im Jahr 1999 war der Künstler Albert Borchardt aus Eschweiler. Er erkundete damals die Landschaft, das Donauried rund um Wertingen, und malte diese. Nach dem Aufenthalt werden die Werke in Wertingen ausgestellt, die Stadt kauft dann, genau wie bei den anderen Ausstellungen, etwas an.
Bürgermeister: Kulturschaffende zusammenbringen
Die Ausstellungen sind nicht nur beliebt bei Künstlern von nah und fern, sondern werden auch gut besucht. Wie kommt das? Man müsse die Menschen persönlich ansprechen. Es reiche nicht aus, einen Flyer in den Briefkasten zu schieben oder eine Mitteilung in der Presse zu veröffentlichen. Man müsse netzwerken, sagt Bürgermeister Lehmeier, der das als seine Aufgabe sieht. Wertingen sei eine Schulstadt, es gebe viele kreative Köpfe, die müsse man zusammenbringen.
Wie etwa die Mitglieder des Kunstkreises, die die Ausstellungen mit organisieren, sie mit den Bauhofmitarbeitern zusammen aufbauen, die Bilder aufhängen. Heute finanziert die Stadt das alles. Früher, erinnert sich Dietrich schmunzelnd, als das Schloss noch dem Freistaat Bayern gehört habe, hätten Künstler für jeden Quadratmeter Ausstellungsfläche zwei Mark zahlen müssen.
Was Wertingen kulturell noch zu bieten hat
Die Stadt Wertingen hat aber noch mehr Kulturelles zu bieten: Heuer jährt sich zum dreizehnten Mal das „Internationale Gitarrenfestival“, zu dem Gitarristen aus aller Welt nach Wertingen kommen, Konzerte geben und Workshops anbieten. Außerdem, sagt Lehmeier, gibt es einen aktiven Trachtenverein, auch das sei inzwischen eine Seltenheit, und am Jugendzentrum gebe es eine kleine Kulturbühne.
Auch Kunstliebhaberin Alexandra Fiebig hat schon bemerkt, dass das kulturelle Angebot ihrer Heimatstadt beachtlich ist: Als sie Freunden aus Augsburg von der Möglichkeit, sich in der Artothek Bilder zu leihen, erzählte, waren die begeistert: So etwas gebe es in der Großstadt nicht.
In der Ausstellung mit den Werken aus der Artothek werden abstrakte Arbeiten, Landschaftsgemälde, Zeichnungen, Druck, Fotografien und Skulpturen gezeigt – ein Querschnitt aus 40 Jahren Kunst in Wertingen. Die Ausstellung wird sich Fiebig anschauen, und wohl so manches Bild wieder finden, das schon bei ihr zu Hause hing. Danach wird sie bald in die Artothek gehen und sich wieder etwas ausleihen, damit die Wände in ihrer Wohnung nicht weiß bleiben.“