30 Jahre Artothek Osnabrück

Die Neue Osnabrücker Zeitung machte anlässlich des 30jährigen Jubiläums am 13. Dez. 2025 eine Reportage über das Leihprinzip der Artothek Osnabrück.

Artothek der Kunsthalle Osnabrück: So wird die eigene Wohnung zum Kunstraum

Die Artothek der Kunsthalle Osnabrück verleiht Kunstwerke. Doch wie funktioniert das? Wir haben den Musiker Benedikt Schlereth begleitet, und zwar bis ins Schlafzimmer.

Am Ende ist es ganz einfach. Anne Haunhorst, Mitarbeiterin in der Artothek der Kunsthalle, händigt Benedikt Schlereth vier Bilder aus, sauber verpackt in Polsterfolie, und Schlereth trägt sie nach Hause. Dort wartet eine weiße Wand im Schlafzimmer auf die vier Kunstwerke im Maß 34 x 35 Zentimeter. Nur eine Frage bleibt jetzt noch: Hängt er die Bilder in Reihe oder versetzt an die Wand?

Im Hauptberuf ist Benedikt Schlereth Musiker, Gitarrist der Bluesrock-Formation Jail Job Eve. Aber mag auch Fotografie und generell bildende Kunst. Bei den Ausstellungen in der Kunsthalle Osnabrück ist er ein regelmäßiger Gast.

Artotheks-Mitarbeiterin Anne Haunhorst zeigt Benedikt Schlereth eines der Kunstwerke, die er sich ausgeliehen hat.
Artotheks-Mitarbeiterin Anne Haunhorst zeigt Benedikt Schlereth eines der Kunstwerke, die er sich ausgeliehen hat. Foto: André Havergo

Eine Institution im Dornröschenschlaf

Die jüngste Ausstellungseröffnung am vergangenen Samstag, der zweite Teil innerhalb des Themenschwerpunkts „Geister“, fiel zusammen mit dem 30. Geburtstag der Artothek – und mit deren Wiedereröffnung. Der damalige Leiter der Kunsthalle, André Lindhorst, hatte diese Institution ins Leben gerufen, zum einen, um originale Bilder und Skulpturen für jedermann zugänglich zu machen, zum anderen, um Künstlern aus der Region ein zusätzliches Forum zu bieten. Nur leider fiel die Institution irgendwann in den Dornröschenschlaf – die hauchdünne Personaldecke nahm der Kunsthalle die Spielräume, um die Artothek zu betreiben. Der erste Leiter der Kunsthalle Osnabrück und Gründer der Artothek, André Lindhorst. Foto: Jörn Martens

Der erste Leiter der Kunsthalle Osnabrück und Gründer der Artothek, André Lindhorst.
Der erste Leiter der Kunsthalle Osnabrück und Gründer der Artothek, André Lindhorst. Foto: Jörn Martens

Die aktuellen Leiterinnen des Hauses, Anna Jehle und Juliane Schickedanz, haben das Projekt Artothek neu belebt und eine Stelle für die Artothek und die Kunst im öffentlichen Raum eingerichtet. Eigentlich sollte es bereits ab Frühjahr 2024 wieder möglich sein, Kunstwerke aus der Artothek auszuleihen. Durch Personalwechsel musste der Start nochmal verschoben werden, aber jetzt hat Anna Holms, die Leiterin der Artothek gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen einen Onlinekatalog mit derzeit rund 270 Kunstwerken erstellt, die nun darauf warten, abgeholt zu werden. Über 700 weitere Arbeiten werden nach und nach in den Onlinekatalog aufgenommen.

Wie cool ist das denn

Schlereth erfuhr davon und dachte sich, „wie cool ist das denn.“ Und cool präsentiert sich die Arthothek tatsächlich. Im Foyer der Kunsthalle zeigt hinter dem Empfangsschalter die Außenstelle ein paar ausgewählte Kunstwerke, weitere Arbeiten finden sich in einem Schrank, und über einen Touchscreen können sich Besucher durch den Onlinekatalog scrollen.

Suchen und finden: Benedikt Schlereth scrollt sich in der Kunsthalle am Stand der Artothek durch den Online-Katalog.
Suchen und finden: Benedikt Schlereth scrollt sich in der Kunsthalle am Stand der Artothek durch den Online-Katalog. Foto: André Havergo

Den ursprünglichen Katalog hatte Lindhorst zum Start 1995 angelegt: Da musste man sich durch Leitzordner wühlen. Der technologische Sprung in die Jetztzeit erlaubt es nun auch, sich auf dem heimischen Sofa durch den Bestand zu klicken. Dabei hat man die Wahl: Die Suchfunktion erlaubt es, sich alles anzeigen zu lassen, oder die Suche nach den Genres „Grafik“, „Malerei“ und „Objekt“ zu spezifizieren.

Weiter verfeinern kann man das Ergebnis, indem man nach bestimmten Künstlern sucht, nach Genres oder auch nach Formaten. Dafür haben Holms‘ Vorgängerin, sie selbst und natürlich das Team jedes einzelne Kunstwerk fotografiert und mit Schlagwörtern versehen. Eine ebenso mühsame wie langwierige Arbeit, die erklärt, warum es eine gewisse Zeit brauchte, um den Onlinekatalog zu erstellen.

Der unerlässliche Papierkram

Doch die Arbeit hat sich gelohnt. In der Einzelansicht lässt sich über die Funktion „Probehängen“ mit dem Tablet oder dem Smartphone sogar simulieren, wie sich das Werk über Sideboard oder Sofa macht.

Auf dem Weg nach Hause: Benedikt Schlereth mit seinen geliehenen Kunstwerken.
Auf dem Weg nach Hause: Benedikt Schlereth mit seinen geliehenen Kunstwerken. Foto: André Havergo

Eine vierteilige Serie des Osnabrücker Künstlers Hans-Jürgen Simon weist der Onlinekatalog nun als „bereits vermietet“ aus: Sie hat sich Schlereth nach Hause geholt. Darauf zu sehen sind Quadrate, die Simon aus alten Zeitungen und Kunstharz gefertigt hat. Im großzügigen weißen Passepartout und sauber gerahmt muten die abstrakten Arbeiten wie Holz an und überzeugen durch ihre formale Klarheit.

Der Weg zum originalen Kunstwerk zu Hause führt allerdings durch schnöde Verwaltungsakte: Zunächst muss Schlereth seinen Personalausweis vorzeigen, damit Artotheksleiterin Holms ihm seinen Arthoteksausweis ausstellen kann; der genügt künftig, um Kunstwerke auszuleihen. Nicht erspart bleibt aber der Papierkram: Der Leihvertrag zwischen Schlereth und der Kunsthalle muss unterzeichnet werden. In diesem Fall sind es vier Verträge, für jede Arbeit einer, und der natürlich in doppelter Ausführung – wer kennt das nicht.

Anna Holms, die Leiterin der Artothek.
Anna Holms, die Leiterin der Artothek. Foto: André Havergo

Das war‘s aber tatsächlich schon. Ein „Beipackzettel Artothek“ erklärt, wie man mit einem Kunstwerk umgeht und wie man Schäden vermeidet: kein direktes Sonnenlicht, keine Hitze, kein Rauch, keine Feuchtigkeit. Und was ist, wenn doch was passiert? Dann springt grundsätzlich die private Haftpflichtversicherung ein, aber der Beipackzettel endet mit einer beruhigenden Nachricht: „Im Schadensfall, bei Beschädigung, Verlust oder Verschmutzung, finden wir eine Lösung“, steht da zu lesen.

So....
So…. Foto: André Havergo

...oder lieber so? Benedikt Schlereth probiert aus, wie sich die Leihkunst aus der Artothek an der Wand seines Schlafzimmers macht.
…oder lieber so? Benedikt Schlereth probiert aus, wie sich die Leihkunst aus der Artothek an der Wand seines Schlafzimmers macht. Foto: André Havergo

Vier Euro monatlich pro Kunstwerk werden bei der Rückgabe fällig, für Menschen mit niedrigem Einkommen reduziert sich der Betrag auf 1,50 Euro. Drei Monate darf Schlereth die Arbeiten nun bei sich aufhängen. Sind die Kunstwerke nicht vorgemerkt, darf er die Frist um weitere drei Monate verlängern.

Aber grundsätzlich ist Holms daran gelegen, den Bestand der Artothek in Bewegung zu halten. Der Vorteil für die Nutzer der Artothek: Die eigenen vier Wände werden zum Schauraum für Wechselausstellungen. Und das zu einem Preis, bei dem man im Einzelhandel nicht einmal ein Poster mit Rahmen bekommt.“

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